Selbständiges Beweisverfahren auch über Umfang und Inhalt der ärztlichen Aufklärung


Selbständiges Beweisverfahren auch über Umfang und Inhalt der ärztlichen Aufklärung

Selbständiges Beweisverfahren auch über Umfang und Inhalt der ärztlichen Aufklärung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 ZPO auch dann durchgeführt werden kann, wenn Inhalt und Umfang ärztlicher Aufklärungspflichten zu ermitteln sind. Diese Fragen beträfen die Ursache eines Personenschadens und unterfielen daher § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO. Bei der Formulierung der Fragen ist auf hinreichenden Bezug zum konkreten Sachverhalt zu achten.

Ein Patient hatte im selbständigen Beweisverfahren wegen behaupteter Aufklärungs-, Befunderhebungs- und Diagnosefehler ein schriftliches Sachverständigengutachten zu einer Vielzahl von Beweisfragen beantragt. Gegenstand der Begutachtung sollte u.a. sein, ob und in welchem Umfang der Patient in der Klinik der Antragsgegnerin über Risiken, mögliche Komplikationen sowie gesundheitliche Folgen, zudem über echte Behandlungsalternativen aufzuklären war.

Land- und Oberlandesgericht hatten den Antrag zurückgewiesen, soweit ein Gutachten über die Aufklärungspflichten erstellt werden sollte. Mit Beschluss vom 19.05.2020 (VI ZB 51/19) hat der BGH das selbständige Beweisverfahren indes auch für Fragen zur ärztlichen Aufklärung als zulässig erachtet. Grundsätzlich kann ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO u.a. durchgeführt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Person oder die Ursache eines Personenschadens festgestellt werden soll. Ursache eines Personenschadens könnten auch Aufklärungsmängel sein, wenn die nach Aufklärung vorgenommene Behandlung Ursache eines Gesundheitsschadens ist.

Dem stehe nicht entgegen, dass der medizinische Sachverständige in der Regel einen Aufklärungsmangel und dessen Ursächlichkeit für den geltend gemachten Personenschaden nicht abschließend feststellen kann, da insoweit Zeugenbeweis und juristische Wertungen erforderlich seien. Gleichwohl bedürfe es für die Feststellung eines Aufklärungsmangels insoweit der medizinischen Bewertung, als der Sachverständige feststellen muss, welche konkreten Risiken und Alternativen bei der streitbefangenen Behandlung bestehen, so der BGH weiter. Nur betreffend die konkrete Behandlung und den konkreten Patienten einschließlich dessen Lebensumständen und Kenntnissen könne der notwendige Umfang der Aufklärung festgestellt werden.

Dass es sich bei der Begutachtung des Aufklärungsinhalts letztlich um eine Vorfrage zur Haftung wegen Aufklärungsmängeln handelt, stehe der Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens ebenfalls nicht entgegen, insbesondere entfalle dadurch nicht das rechtliche Interesse an der Begutachtung. Die bloße Möglichkeit, dass ein Rechtsstreit durch das selbständige Beweisverfahren vermieden werden könne, genüge. Dies sei auch bei Fragen zur ärztlichen Aufklärung der Fall, da Arzt und Patient anhand der festgestellten Aufklärungspflichten und ihrer Erinnerung an die konkrete Aufklärung selbst beurteilen könnten, ebenso, inwieweit ein Prozess oder auch ein Vergleich in Frage kommen.

Allerdings müssten die im selbständigen Beweisverfahren gestellten Beweisfragen die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, konkret bezeichnen und einen hinreichenden Bezug zu dem zu begutachtenden Sachverhalt aufweisen; rein abstrakte Fragestellungen sind dagegen unzulässig.