EuGH zur Sanktionierung bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen zwischen potentiellen Wettbewerbern


EuGH zur Sanktionierung bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen zwischen potentiellen Wettbewerbern

EuGH zur Sanktionierung bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen zwischen potentiellen Wettbewerbern

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die gegen das sogenannte Citalopram-Kartell zwischen Lundbeck und mehreren Generika-Herstellern verhängten Sanktionen bestätigt. Dabei hat der Gerichtshof Kriterien für die Beurteilung von bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen und potentiellen Wettbewerbern aufgestellt.

Hintergrund des Verfahrens war eine Vereinbarung des dänischen Pharmaunternehmens Lundbeck nach dem Auslaufen des Grundpatents für das Antidepressivum Citalopram mit mehreren Herstellern und Verkäufern von Nachahmer-Arzneimitteln (Generika) im Jahr 2002. Da nur noch Sekundärpatente zu diesem Arzneimittel in Kraft waren, konnten die Generika-Hersteller einen Markteintritt für dieses Medikament in Erwägung ziehen. Mit der Vereinbarung verpflichteten sich die Generika-Hersteller, nicht in den Markt für Citalopram einzutreten; als Gegenleistung gewährte Lundbeck hohe Zahlungen und kaufte die Generika-Vorräte der Vertragspartner auf. Die Europäische Kommission leitete nach einer Information der dänischen Wettbewerbsbehörde Untersuchungen des Wirtschaftszweigs, später auch der vorgenannten Vereinbarungen ein. Mit Beschluss vom 19.06.2013 stellte die Kommission fest, dass die Beteiligten der Verträge zumindest potentielle Wettbewerber seien, die Vereinbarungen sog. bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten und die geleisteten Zahlungen etwa den zu erwartenden Gewinnen der Generika-Hersteller entsprächen. Sie verhängte Geldbußen von insgesamt fast € 150 Mio. Die Klagen der beteiligten Unternehmen beim Europäischen Gericht erster Instanz blieben erfolglos.

Mit Urteil vom 25.03.2021 (C-586/16 P, C-588/16 P, C-591/16 P, C-601/16, C-611/16 P, C-614/16 P) hat der EuGH die Rechtsmittel zurückgewiesen und entschieden, dass die an den Verträgen Beteiligten zumindest potentielle Wettbewerber darstellten (Pressemitteilung EuGH Nr. 49/2021). Um dies zu beurteilen, müsse ermittelt werden, ob für das nicht auf dem Markt präsente Unternehmen reale und konkrete Möglichkeiten bestehen, in den Markt einzutreten und in Wettbewerb mit den bereits auf dem Markt tätigen Unternehmen zu treten, so der EuGH. Dagegen müsse nicht festgestellt werden, dass das Unternehmen tatsächlich in den Markt eintreten werde oder sich dort behaupten kann. Auf dem Markt für ein kürzlich gemeinfrei gewordenes Arzneimittel müsse, wenn eine den Marktzutritt beschränkende Vereinbarung getroffen werde, geprüft werden, ob der Generika-Hersteller fest entschlossen und in der Lage sei, in den Markt einzutreten, zudem, ob dem nicht unüberwindbare Marktzutrittsschranken entgegenstünden.

Dabei sei allein ein Patent, das das Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels betreffe, nach Auffassung des EuGH noch keine solche Marktzutrittsschranke. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Hersteller bereit sei, das Patent anzugreifen bzw. sich einer Verletzungsklage des Patentinhabers auszusetzen. Dies müsse sich anhand seiner Maßnahmen in Richtung Markteintritt zeigen. Nicht zu prüfen habe die Wettbewerbsbehörde, wie stark das Patent sei oder wie wahrscheinlich es gültig und verletzt sei.

Bestätigt hat der EuGH zudem, dass es sich in dem entschiedenen Fall um bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen handele. Bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen liegen danach vor, wenn sich die Wertübertragungen vom Hersteller des Originalpräparats auf die Generikahersteller allein durch das gemeinsame wirtschaftliche Interesse an der Vermeidung von Leistungswettbewerb untereinander erklären. Dabei sei für jeden Einzelfall zu prüfen, ob die gewährten Leistungen hoch genug seien, um den Generikahersteller davon abzuhalten, in den Markt einzutreten und in Wettbewerb zum Hersteller des Originals zu treten. Abzustellen sei dabei auf den positiven Nettosaldo; dieser müsse nicht höher sein als der vom Generikahersteller aufgrund des Markteintritts erwartete Gewinn. Weiter hält der EuGH fest, dass es dann, wenn die übertragenen Werte hoch genug seien, nicht auf die Stärke des Patents, den mutmaßlichen Ausgang des Patentrechtsstreits oder die Stellung der Beteiligten als potentielle Wettbewerber ankomme. Von Bedeutung für die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung komme es nicht auf eine frühere Sanktionierung ähnlicher Vereinbarungen durch die Kommission an, sondern allein auf die Wesensmerkmale der Vereinbarung, aus denen auf eine Schädigung des Wettbewerbs zu schließen ist. Hierfür seien die Vereinbarung selbst, ihre Ziele sowie das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld zu prüfen.

Schließlich hat der EuGH in zwei Verfahren die spezifische Pflicht beteiligter Unternehmen zur Vorsicht betont, die aufgrund der Untersuchung der Branche durch die Kommission seit dem Jahr 2008 bestanden habe. Diese habe die Unternehmen veranlassen müssen, für die potentielle Verteidigung nützliche Dokumente aufzubewahren. Eine Verletzung von Verteidigungsrechten durch eine überlange Verfahrensdauer könne in solchen Fällen nicht geltend gemacht werden.