Eigenständige Kapitalanleger-Musterverfahren bei verschiedenen Ad-hoc-Mitteilungen - BGH


Eigenständige Kapitalanleger-Musterverfahren bei verschiedenen Ad-hoc-Mitteilungen - BGH

Eigenständige Kapitalanleger-Musterverfahren bei verschiedenen Ad-hoc-Mitteilungen - BGH

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 16.06.2020 die Zulässigkeit eines Kapitalanleger-Musterverfahrens gegen die Porsche Automobil Holding SE bejaht, das sich mit Ersatzansprüchen von Anlegern wegen einer Ad-hoc-Meldung vom 22.09.2015 zum sog. Dieselskandal befasst. Insbesondere stehe dem Verfahren nicht entgegen, dass vor dem OLG Braunschweig bereits ein Musterverfahren gegen die Volkswagen AG wegen desselben Sachverhalts anhängig ist.

Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Az. II ZB 10/19) lag das Ansinnen des Landgerichts Stuttgart zugrunde, einen Musterentscheid zur Haftung der Porsche Automobil Holding SE (künftig: Porsche SE) herbeizuführen. Hierzu hatte das Landgericht dem Oberlandesgericht Stuttgart Feststellungsziele vorgelegt, mit denen geklärt werden sollte, inwieweit die Porsche SE von Vorgängen aus dem Bereich der Volkswagen AG (VW AG) unmittelbar betroffen war, ob hieraus Pflichten zu Ad-hoc-Mitteilungen erwuchsen, und inwieweit eine Wissenszurechnung stattfinde.

Die Porsche SE ist nach den Feststellungen des BGH (Pressemitteilung Nr. 091/2020) als Holdinggesellschaft zu ca. 52 % an der VW AG beteiligt. Seit dem Jahr 2008 baute und vermarktete letztere Dieselmotoren des Typs EA189, die mit einer unzulässigen Abschaltsoftware ausgestattet sind (BGH: arglistige Täuschung der Käufer durch VW). Am 22.09.2015 veröffentlichte die VW AG eine Ad-hoc-Mitteilung, nach der weltweit etwa 11 Mio. Fahrzeuge mit Dieselmotoren dieses Typs Auffälligkeiten bei dem Stickoxidausstoß aufwiesen, weshalb eine Rückstellung von mehreren Milliarden Euro geplant sei. Hierüber informierte die Porsche SE taggleich in einer eigenen Ad-hoc-Mitteilung und teilte mit, dass eine entsprechende Belastung des eigenen Ergebnisses zu erwarten sei. Etwa ab dieser Zeit brachen die Aktienkurse beider Gesellschaften ein.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat wegen des Musterverfahrens vor dem OLG Braunschweig, in dem geklärt werden soll, ob die VW AG im sog. Abgasskandal ihre Publizitätspflichten verletzt hat, ein weiteres Musterverfahren gegen die Porsche SE für unzulässig gehalten.

Auf Rechtsbeschwerde von Kapitalanlegern hat der BGH ein Musterverfahren in Stuttgart dagegen für zulässig erklärt. Zwar entfalte ein Vorlagebeschluss nach § 7 S. 1 KapMuG Sperrwirkung, so dass ein weiteres Verfahren unzulässig sei, soweit die Entscheidung über die Feststellungsziele in einem bereits anhängigen Musterverfahren die Prozessgerichte in einem weiteren Verfahren bindet und das dortige (zweite) Musterverfahren auszusetzen wäre.

Eine solche Bindungswirkung bestehe in Schadenersatzverfahren, die auf das Unterlassen öffentlicher Kapitalmarktinformationen gestützt seien, jedoch nur, wenn dieselbe öffentliche Kapitalmarktinformation betroffen sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da es sich um zwei verschiedene Ad-hoc-Informationen handele, die verschiedene Unternehmen betreffen. Dagegen sei nicht entscheidend, dass mittelbar dieselben Vorgänge bei der VW AG von Bedeutung sind.