Kein Verbraucher-Widerrufsrecht eines Bürgen gemäß § 312g BGB


Kein Verbraucher-Widerrufsrecht eines Bürgen gemäß § 312g BGB

Kein Verbraucher-Widerrufsrecht eines Bürgen gemäß § 312g BGB

Mit Urteil vom 22.09.2020 (XI ZR 219/19) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass einem Bürgen, auch wenn er Verbraucher ist, kein Widerrufsrecht nach § 312g BGB, das für Fernabsatzgeschäfte und Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, gilt, zusteht.

In dem zugrundeliegenden Fall hatte die klagende Bank einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung einen Kontokorrentkredit in sechsstelliger Höhe eingeräumt, der geschäftsführende Alleingesellschafter der GmbH übernahm zugunsten der Bank eine Höchstbetragsbürgschaft zur Sicherung des Kontokorrentkredits. Er unterzeichnete die Bürgschaftserklärung in den Geschäftsräumen der Hauptschuldnerin, ohne über ein Widerrufsrecht belehrt worden zu sein. Nachdem die GmbH in Insolvenz geraten war, kündigte die Bank den Kontokorrentkredit fristlos und forderte den beklagten Bürgen wenig später zur Zahlung des offenen Saldos nebst Zinsen auf. Nach ursprünglicher Bestätigung der Haftung dem Grunde nach erklärte dieser den Widerruf seiner Bürgschaftserklärung.

Die in erster Instanz in Höhe der Bürgschaft erfolgreiche Klage wurde in zweiter Instanz abgewiesen. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Zur Begründung hält der BGH fest, der Bürge könne, auch wenn er als Verbraucher handele und seine Bürgschaftserklärung in einer grundsätzlich dem Widerruf nach § 312g BGB unterliegenden Situation abgegeben habe, seine Erklärung nicht wirksam widerrufen.

Denn es liege kein Verbrauchervertrag i.S.v. §§ 310 Abs. 3, 312 Abs. 1 BGB vor, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat. Erforderlich für einen solchen Vertrag sei, dass der Unternehmer die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen habe.

Dies sei bei Bürgschaften zu verneinen. Die frühere Rechtsprechung zu § 1 HWiG bzw. § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB a.F., wonach es genügte, wenn ein Verbraucher eine Bürgschaft übernahm, damit der Gläubiger dem Hauptschuldner ein Darlehen gewähre, könne keine Anwendung mehr finden.

Für die aktuelle gesetzliche Regelung sei der Begriff des Verbrauchervertrags enger zu fassen, da der eindeutige Wortlaut des § 312 Abs. 1 BGB eine entgeltliche Leistung des Unternehmers innerhalb desjenigen Verbrauchervertrags voraussetze, für welchen das Widerrufsrecht in Anspruch genommen werde. Hieran fehle es bei der Bürgschaft, da die charakteristische Leistung der Bank in der Hingabe des Darlehensbetrags im Rahmen des Darlehensvertrages zu sehen sei.

An dieser Voraussetzung ändere sich nichts dadurch, dass Verträge über Finanzdienstleistungen grundsätzlich dem Verbraucherwiderruf unterfallen. Denn der Bürge und Verbraucher erbringe keine Finanzdienstleistung.

Auch eine analoge Anwendung des Widerrufsrechts aus §§ 355, 312b Abs. 1, 312g Abs. 1 BGB aus Schutzzweckerwägungen komme nicht in Betracht, da die gesetzliche Regelung nicht planwidrig unvollständig sei.

Schließlich komme auch eine Erstreckung des Widerrufsrechts aus §§ 312 Abs. 1, 312b Abs. 1, 312g Abs. 1 BGB auf Bürgschaften im Wege der Rechtsfortbildung oder richtlinienkonformen Auslegung nicht in Betracht. Es entspreche der Richtlinie 2011/83/EU, dass § 312 Abs. 1 BGB eine Leistung eines Unternehmers als Gegenstand des Verbrauchervertrags zu verlangen. Ein anderes Verständnis von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU entspräche nicht deren Schutzzweck, Verbraucher bei kommerziellen Verträgen zu schützen, wenn diese sich gegenüber dem Unternehmer in einer geschwächten Verhandlungsposition befänden, insbesondere, wenn sie unvorbereitet vom Unternehmer angesprochen würden.