Rechtsprechungsänderung zur Darlegungs- und Beweislast im markenrechtlichen Löschungsverfahren


Rechtsprechungsänderung zur Darlegungs- und Beweislast im markenrechtlichen Löschungsverfahren

Rechtsprechungsänderung zur Darlegungs- und Beweislast im markenrechtlichen Löschungsverfahren

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 22.07.2021 (Az. I ZB 16/20) entschieden, dass es generell dem Markeninhaber obliegt, im Löschungsverfahren diejenigen Umstände nachzuweisen, aus denen sich der (Fort-)Bestand seiner Marke ergibt. Damit hat sich der I. Zivilsenat in Abkehr von seiner bisherigen Spruchpraxis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angeschlossen.

Streitgegenstand war die für juristische Fachzeitschriften eingetragene abstrakte Farbmarke Nr. 30 2008 037 660 „Orange“, die im Februar 2009 als verkehrsdurchgesetzte Marke im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) eingetragen wurde. Es handelt sich um einen nach dem international anerkannten L ab-System eindeutig definierten Farbton, der speziell für die beklagte Markeninhaberin gemischt wurde (NJW-Orange). Die Marke wird seit langen Jahren für die weitaus größte und bekannteste juristische Fachzeitschrift in Deutschland und deren Werbung verwendet, nicht dagegen für eine andere juristischen Fachzeitschrift. Die Antragstellerin hat im Oktober 2015 beim DPMA die Löschung verlangt, da die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung nicht gegeben seien.

Dieser Antrag blieb vor dem DPMA und dem Bundespatentgericht erfolglos. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat auf die Rechtsbeschwerde, die sich allein auf das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestützt hat, die Entscheidung des Bundespatentgerichts aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachverhaltsermittlung zurückverwiesen. Der BGH hat das Verfahren zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast im Markenlöschungsverfahren zu ändern und an die EuGH-Rechtsprechung anzupassen.

Das Bundespatentgericht habe zu Recht angenommen, dass die notwendige Unterscheidungskraft bei einer abstrakten Farbmarke gering ausgeprägt ist, da Verbraucher aus der Farbe, ebenso der Form oder Verpackung, eines Produkts häufig nicht auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließen. Deshalb sei bei solchen Marken zu prüfen, ob besondere Umstände die Annahme einer Unterscheidungskraft rechtfertigten, etwa eine geringe Zahl entsprechender Produkte oder ein sehr spezifischer Markt. Für juristische Fachzeitschriften könne nicht festgestellt werden, dass Verlage etwa „Hausfarben“ nutzten. Allerdings könne eine im Rahmen einer Gesamtschau – Marktanteil, Nutzungsintensität, geografische Verbreitung, Dauer der Markennutzung, Werbeaufwand, Erklärungen von Berufsverbänden – zu ermittelnde Verkehrsdurchsetzung bei dem angesprochenen Publikum das Eintragungshindernis überwinden. Ob eine Warengestaltung vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden werde, habe der Tatrichter unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen. Nach der maßgeblichen EuGH-Rechtsprechung verbiete es das Unionsrecht nicht, die Frage der Unterscheidungskraft einer Marke durch eine Verbraucherbefragung zu klären, wenn die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung nach den genannten Maßstäben Marktanteil etc. besondere Schwierigkeiten bereite.

Hervorzuheben ist die Feststellung, dass verbleibende Zweifel an der Verkehrsdurchsetzung – entgegen der bisherigen BGH-Rechtsprechung – zu Lasten der Markeninhaberin gehen. Die bisherige Spruchpraxis sei angesichts der neueren EuGH-Rechtsprechung (u.a. Urt. v. 19.06.2014, C-217/13 -Farbmarke Rot) aufzugeben. Nach der Rechtsprechung des EuGH habe der Markenanmelder nachzuweisen, dass eine Marke Unterscheidungskraft infolge Benutzung erworben hat, weil es sich dabei sowohl im Rahmen eines Anmelde- als auch eines Löschungsverfahrens um eine Ausnahme von den Eintragungshindernissen handele. Der Inhaber einer Marke sei am besten in der Lage, den Beweis für die konkreten Handlungen zu erbringen, die das Vorbringen zu stützen vermögen, dass seine Marke ernsthaft benutzt worden sei. Dies gelte besonders für die zum Benutzungsnachweis geeigneten Umstände Intensität, Dauer und Umfang der Benutzung und des Werbeaufwands. Nichts anderes könne für die Darlegungs- und Beweislast im Anmelde- oder Löschungsverfahren für die Verkehrsdurchsetzung gelten, was angesichts des Testarossa-Urteils des EuGH vom 22.10.2020 (C-720/18) nicht mehr zweifelhaft sei.

Zudem hat der BGH die Übergangsregelungen zur Anpassung des MarkenG an die Richtlinie (EU) 2015/2436 erörtert. Nach § 50 Abs. 1 MarkenG n.F., der mangels Übergangsregelung auch auf die 2009 eingetragene Marke anzuwenden sei, erfordere die Löschung einer Marke wegen Nichtigkeit, dass diese entgegen eines absoluten Schutzhindernisses eingetragen worden ist. Dabei komme es auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an, nicht der Entscheidung über den Eintragungsantrag. Da der Löschungsantrag jedoch vor dem 14.01.2019 gestellt worden sei, könne die Löschung der Marke gem. § 50 Abs. 2 MarkenG a.F. nur ausgesprochen werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag, d.h. der letzten Verhandlung vor dem Bundespatentgericht, das Schutzhindernis noch bestehe.